Osterinsel

Überblickskommentar:

Auf der historischen Ebene schildert das Gedicht drei Begegnungen der Ureinwohner der Osterinsel mit drei Vertretern der westlichen Zivilisation (dem Entdecker Jacob Roggeveen, dem Biologen Olof Selling und dem Archäologen Claudio Cristino). Nach einer gängigen Theorie (insbesondere vertreten von Jared Diamond in seinem Buch „Kollaps“) verursachten die Bewohner der Osterinsel den Niedergang ihrer Kultur und Gesellschaft selbst, indem sie, durch unbesonnene Abholzung ihrer Wälder, ökologischen Raubbau trieben. Ihre fast untergegangene Kultur wurde von den Europäern, deren Ankunft von eingeborenen Sehern in vager Form geahnt und prophezeit sein mochte, untersucht und rekonstruiert. Der hier dargestellte Mythos der Ureinwohner vom Verlust des Göttlichen und seiner Wiederkunft kann parallelisiert werden mit dem Status der christlichen Religion im Abendland. Das Gedicht arbeitet in jeder Strophe mit drei Zeitebenen: Vergangenheit (Herkunft aus der wirksamen Gegenwärtigkeit des Göttlichen), Gegenwart (Verlust der Gegenwart des Göttlichen) und Zukunft (Hoffnung auf eine Wiederkehr des Göttlichen). Es schließt mit dem Ausblick auf eine nächste / Metamorphose (v.59/60).
Das Gedicht konfrontiert die mythische Weltsicht der Ureinwohner (formal durch eingerückte Verse gekennzeichnet) mit der rationalen Weltsicht der Europäer (formal durch gleichförmige Linksbündigkeit der Verse gekennzeichnet).

Osterinsel


Karte der Osterinsel
Uns
haben
drei Berge geboren

ach
Terevaka

Uns gingen drei Berge
verloren

ach Terevaka
5
Drei Götter stehn uns bevor

 
Und einer
mit
Wetterleuchten

und Donner
wächst er empor aus den Tiefen der See

Sturmholz in wolkengewölbter Brust
und –

das kann nur
Roggeveen sein ganz klar
10
Jacob Roggeveen
am 5. April 1722
nach
extraterrestrischem
Sperrfeuer Landung
en corps de bataille

zwölf Wilde platt
– immerhin aber
miru miru

nein was für Mastbäume
: da plötzlich kam ihnen wohl
dass auch in ihrer einzigartigen (schreibt der
Justizrat
)
15Armut und Ödnis vor Zeiten so was mal Wald war denn
 
Uns haben drei Berge geboren
Poike
o Poike

Wir haben drei Berge verloren
Poike o Poike
20Drei
Tröster
stehn uns bevor

 
Und einer aus
Götterhöhen

wo dem Vergehen entrückt stille Lichtfrüchte leuchten
schwebt er mit Silberflügeln herab
und –

das zielt jetzt auf Selling oder so einen
25
Olof Selling
mit
LAN
die Weltklasse
unter den
Samensammlern und Pollensortierern
:
inblandad i en konflikt vid riksmuseet

hat aber jedenfalls

 
ihren Malayaapfel
(der Ahnen

30brustreiche Amme)
ihr weiches Rosengewächs (der Ahnen
wohnliches Holzweib)
ihren Papiermaulbeerbaum (der Ahnen
wärmende Weberin)
 
35und noch mehr so
fossile Seelen
mit Kernen
Bohrkernen aus üppigen Abfallgruben
palynologisch

Syzygium malaccense

Thespesia populanea
40Broussonetia papyrifera –
wiedererweckt und emporgeläutert zur reinen Gestalt
binärer Nomenklatur
denn
 
Uns haben drei Berge geboren
ach
Rano Kau

45
Uns
haben drei Berge verloren

ach Rano Kau
Drei
Heilande
stehn uns bevor

 
Und einer vom
Ende der Welt

wo die Fäden der Zeit sich entwirren
aus blinden Rätseln
50der naht
mit übergewaltigen Armen
und –

muss wohl
Cristino
sein
Claudio Cristino

mit seinem 55-Tonnen-Hebekran – immerhin hat er
ein paar von ihren moai wieder
auf Steiß
gestelltmoai
am Meer unten auf
ahu
Tongariki
:
55die starren nun mit
Sibyllenblick
(
Rotschlacke-Pupillen

auf knallweißer Koralle) schräg aufwärts zum
Kraterrand

wo bunt das
Neckermann-Picknick
gedeckt ist
und weiter durchs
wachsende Himmelsloch

direkt zum
Sternbild Schlange
das schon die nächste
60
Metamorphose
bereit hält denn
 
Uns haben
drei Götter
geboren

Herrjemine

Uns gingen drei Götter verloren
Gethsemane

65
Und alle stehn uns bevor

 
 
Stellenkommentar:

Titel: Die Osterinsel (rapanui Rapa Nui) ist eine isoliert gelegene Insel im Südostpazifik, die politisch zu Chile gehört. Ihren heutigen Namen erhielt sie von dem Holländer Jakob Roggeveen (1.2.1659-31.1.1729), der im Auftrag der Westindischen Handelskompanie die terra australis incognita suchte und am Ostersonntag, dem 5. April 1722, erstmals die Insel sichtete. Er nannte sie nach dem Tag der Entdeckung Osterinsel. Damit ist zugleich der für das Gedicht bedeutsame Kontext des christlichen Heilsgeschehens aufgerufen.

v.1 Uns: i.e. auf der Realebene die Bewohner der Osterinsel zur Zeit ihrer Entdeckung, die Rapa Nui; auf der übertragenen Ebene die heutigen Menschen.

v.1 drei Berge geboren: eine vom lyrischen Ich fingierte Geburt der Ureinwohner der Osterinsel durch die drei Berge der Insel

v.1 drei: Die Zahl Drei bestimmt das ganze Gedicht. Als magische Zahl verweist sie auch auf die christliche Trinität.

v.2 Terevaka: einer der drei Vulkanberge, welche die drei Ecken der Osterinsel bilden. Die Anrufung durch das ach gibt den ersten fünf Versen eine elegische Tönung.

v.3: Die elegische Dichtungsform ist charakterisiert durch einen Verlust, den sie betrauert. Hier steht der Verlust der Berge für die verlorene Natur bzw. Transzendenz.

v.5: Dieser Vers verspricht mit dem Bevorstehen der drei Götter einen ‚neuen Göttertag’, wie er besonders in Hölderlins Dichtung bestimmend ist.

v.6 Und einer: Das Und als gleichordnende Konjunktion verbindet den jetzt Ankommenden mit den vorher genannten drei Göttern.

v.6f Wetterleuchten / und Donner: traditionelle Attribute höchster Götter (z.B. Wotan, Zeus). Vgl. dazu auch das Tagebuch Roggeveens vom Tag der Landung, dem 7.4.1722: „Das Wetter war völlig unbeständig, mit Donner, Wetterleuchten …“

v.7 wächst er empor aus den Tiefen der See: Die Wahrnehmung der Rapa Nui bei der Ankunft des Entdeckers Roggeveens wird in eine mythisches Bild gekleidet, dass auf das Erscheinen eines Meergottes, z.B. Poseidons, verweist.

v.8: Das Bild des von Sturm geblähten Segels an einem Holz (Mastbaum), das die Ureinwohner bei der Ankunft der Segelschiffe Roggeveens wahrnehmen, wird überlagert durch das Bild eines Gottheit, die mit wolkengewölbter Brust im Sturm erscheint. Auch der Heilige Geist erscheint in christlicher Tradition im Sturmgebraus.

v.8 und – : Die Wiederaufnahme des Und aus Vers 6 umrahmt den mythischen Raum der Gottheit (wie auch in den Versen 21-23 und 48-50). Der Gedankenstrich schließt diesen Raum und öffnet den Blick auf einen entmythisierten Bereich (v.9ff, 24ff und 51ff).

v.9 das kann nur … sein: Wie auch an den entsprechenden Stellen in den Versen 24 und 51 werden hier durch die Formulierungen nur Wahrscheinlichkeiten angedeutet, nicht Gewissheit, wie im vorhergehenden absoluten Bereich des Mythischen. Der hier stattfindende Wechsel des Tons (vom hymnischen, gehobenen Stil zur Alltagssprache) zeigt sich nicht nur an diesen Formulierungen, sondern z.B. auch an dem Wort platt (v.12) und der Berufsbezeichnung Justizrat (v.14). Dieser Wechsel findet an eben denselben Stellen in den Strophen 4 und 8 statt.

v.9 Roggeveen: Vgl. zum Titel

v.10: vgl. Kommentar zum Titel. Zur Landung Roggeveens vgl. zusätzlich zu Diamonds „Kollaps“ „Die großen Entdeckungen“, hrsg. von Matthias Meyn u.a., S.571 ff, wo auch Teile des Tagebuchs Roggeveens aufgenommen worden sind.

v.11 extraterrestrischem: Aus dem Blickwinkel der Rapa Nui erschien Roggeveen als Nicht-Irdischer.

v.11 en corps de bataille: der zur Zeit Roggeveens gebräuchliche Ausdruck für ‚in geschlossener Gefechtsformation’. Vgl. dazu Roggeveens Tagebuch: „Dort (i.e. auf der Osterinsel) angekommen, wurde aus allen Matrosen der drei Schiffe das corps de bataille formiert …“

v.12 zwölf Wilde platt: Nimmt man das Wort platt in einem anderen übertragenen Sinne, so könnte man die Situation bei Ankunft von Roggeveen mit dem Erscheinen Jesu (als Wiedererscheinder, als „Emmanuel“) vor den zwölf Jüngern vergleichen, die vor Erstaunen ‚platt’ waren.

v.12 miru miru: Holz (in der Sprache der Inselbewohner)

v.13ff nein was für Mastbäume … / … / …was mal Wald war denn: Das Holz und die Höhe der Mastbäume sind für die Ureinwohner wie eine Parusie (eine erwartete Wiederkehr des Messias). Sie werden durch die Ankunft Roggeveens daran erinnert, dass ihre Insel einst waldreich war, ein Ort des Numinosen, dass ihre Gegenwart öd ist (waldlos, gottfern), und sie können daher Roggeveen als eine Art Gotteserscheinung (vgl. zu v.6f) wahrnehmen.

v.14 Justizrat: Roggeveen hatte Jura studiert. Die Berufsbezeichnung schafft eine ironische Distanz zur Wahrnehmung, die die Ureinwohner von Roggeveen haben.

v.17 Poike: der zweite der drei Vulkanberge der Osterinsel

v.20 Tröster: ‚Tröster’ ist der Begriff, mit dem Luther das griechische Wort „Paraklet“ (‚der Herbeigerufene’) übersetzt, das in der christlichen Theologie für den Heiligen Geist gebräuchlich ist.

v.21f Götterhöhen / wo … leuchten: Der Bereich, aus dem der ‚Tröster’ herabschwebt, wird als zeitlos (dem Vergehen entrückt), als lichtvoll und als vorsprachlich (still) charakterisiert; man könnte ihn als Bereich der Ideen (Lichtfrüchte) ansehen.

v.23 schwebt er mit Silberflügeln herab: Auf der Realebene das Landen eines Flugzeugs, auf der übertragenen Ebene die Ankunft des heiligen Geistes als Taube

v.19 Selling: Olof Hugo Selling, (*17.11.1917), schwedischer Paläobotaniker. Ein Pollenforscher, der sich um die Erforschung der untergegangenen Vegetation der Osterinsel verdient gemacht hat.

v.25 LAN: Linea Aéreal Nacional (staatliche chilenische Luftfahrtgesellschaft)

v.26 Samensammlern und Pollensortierern: Gegen das mythische Verständnis der Ureinwohner wird hier das rationale, wissenschaftliche Klassifikationsverfahren gestellt.

v.27 inblandad … riksmuseet: i.e.: ‚verwickelt in einen Konfikt mit dem Reichsmuseum’. Anspielung auf den in Schweden seinerzeit als „Sellingaffäre“ berüchtigten Rechtsstreit mit dem Naturhistorischen Reichsmuseum in Stockholm

v.28 hat aber jedenfalls: Der hier beginnende Satz wird erst in v.41f beendet.

v.29ff: Olof Selling rekonstruierte aus den Samen- und Pollenfunden die verlorengegangene Vegetation der Osterinsel. Die hier genannten drei Gewächse stehen stellvertretend für Nahrung (brustreiche Amme), Wohnung (wohnliches Holzweib) und Kleidung (wärmende Weberin). Durch die Personifizierungen werden sie ins Mythische gesteigert.

v.35 fossile Seelen: Als Fossil (von lat. fossilis „(aus)gegraben“) oder Versteinerung bezeichnet man jedes Zeugnis vergangenen Lebens aus der Erdgeschichte. Die Kombination mit dem Begriff ‚Seele’ weist darauf hin, dass den eigentlich gemeinten Samen und Pollen eine lebensbewahrende Kraft innewohnt, sie bewahren selbst als Versteinerungen noch Anteile des Numinosen.

v.37 palynologisch: Palynologie ist der Zweig der Botanik, der sich mit der Erforschung der Blütenpollen befasst.

v.38ff Syzygium … / … / … papyrifera: Die gemäß der Linnéschen Nomenklatur bezeichneten drei ausgestorbenen Gewächse der Osterinsel (Malayaapfel, Rosengewächs, Papiermaulbeerbaum).

v.42 binäre Nomenklatur: Die Abwandlung der von Linné eingeführten „binominalen Nomenklatur“ (bestehend aus Gattungs- und Artangabe) in binäre Nomenklatur verdeutlicht den Abstraktionsfortschritt in der Sprache der modernen Wissenschaft, die alle Ausdrücke durch die Zahlen 0 und 1 darstellt.

v.44 Rano Kau: der dritte der drei Vulkanberge, häufig auch als Rano Kao bezeichnet.

v.45: Im Gegensatz zu den Versen 3 bzw. 18 ist es hier nicht das Uns bzw. das Wir, das den Zugang zur Transzendenz verloren hat, sondern die Transzendenz (die Berge) verliert Uns. Implizit ist also die Transzendenz für die Unterbrechung der Verbindung mitverantwortlich.

v.47 Heilande: Heiland ist ein deutschsprachiger Ehrentitel für Jesus Christus. Er ist eine Lehnübersetzung vom Lateinischen ‚salvator’ (‚Retter’) und wird meist in der Verbindung ‚salvator mundi’ (‚Retter der Welt’) gebraucht. Die Drei verweist wie auch in v.5 und v.20 darauf, dass an allen drei Stellen die christliche Trinität mitgemeint ist.

v.48 vom Ende der Welt: Hier nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich zu verstehen als Jüngstes Gericht, dem Christus als Richter vorsitzt.

v.49: Mit dem Jüngsten Gericht beginnt gemäß der christlichen Tradition das ‚Neue Jerusalem’, die reine Herrschaft der Transzendenz. In ihr werden die Menschen sehend, alle Rätsel werden gelöst, die Zeit selbst verschwindet.

v.50 mit übergewaltigen Armen: Auf der Realebene Claudio Cristino (s. zu v. 51), der mit einem Hebekran, der einen langen Kranarm hatte, auf die Osterinsel kam. Das übergewaltigen weist auf der übertragenen Ebene auf die ‚über jeder Gewalt’ stehende Macht des Weltenrichters (v. zu v.48), man kann z.B. an die Christusdarstellung in Michelangelos Fresko „Das jüngste Gericht“ oder an die Christusfigur in Rio de Janeiro denken.

v.51 Cristino: Überlagerung der Real- und der übertragenen Ebene: Christus und Claudio Cristino

v.51 Claudio Cristino: Archäologe, der 1994 mit Hilfe eines Krans (vgl. v.52) 15 umgestürzte moai (s. zu v.53) wieder aufrichtete (vgl. v.52).

v.53 auf Steiß: abgeändert für ‚auf die Füße’ stellen

v.54 ahu: Bezeichnung der Insulaner für die Plattformen, auf denen die moai stehen.

v.54 Tongaraki: Eigenname einer Plattform

v.55 Sibyllenblick: Sibyllen waren göttlich inspirierte Seherinnen, die ursprünglich unaufgefordert die Zukunft weissagten: doppeldeutig und häufig in Form eines Rätsels (vgl. damit dieses Gedicht!). Hier ist eine Umkehrung der Blickrichtung zu erkennen: In Strophe 2, 4 und 8 blicken die Eingeborenen auf die ankommenden Abendländer (Roggeveen, Selling und Cristino) und halten sie für Götter, während an dieser Stelle die Reste der alten Kultur, die moai, vorbei an den Touristen des Abendlandes hin zur (kommenden?)Transzendenz (vgl. zu v. 59f) blicken.

v.55f Rotschlacke-Pupillen / auf knallweißer Koralle: 1978 fand man bei Ausgrabungen am Ahu Naunau in Anakena ein aus weißem Korallenkalk geformtes Auge mit einer Iris aus roter Gesteinsschlacke, das ursprünglich in die Augenhöhle einer Figur eingesetzt war.

v.56 Kraterrand: Die Plattform Tongariki liegt am Rand des Vulkankraters Rano Raraku.

v.57 Neckermann-Picknick: Der Reiseveranstalter Neckermann (TUI) veranstaltet regelmäßige Pauschalreisen und Kreuzfahrten auch auf die Osterinsel (vgl. dazu auch zu v.55), auf denen auch regelmäßig Picknick am Kraterrand angeboten wird.

v.58 wachsende Himmelsloch: Sowohl das von der modernen Zivilisation verursachte Loch in der Ozonschicht als auch das durch die verschwundene Transzendenz am Himmel entstandene Leerstelle, durch die allerdings auch eine mögliche Wiederkehr erfolgen könnte (vgl. zu v. 59f).

v.59 Sternbild Schlange: Sternbild am nördlichen Himmel, das aber zeitweise auch am südlichen Himmel sichtbar ist. Die Griechen sahen in der Schlange ein Symbol für die Heilkunst (Äskulapstab). Als Begründung fungiert der Mythos von Glaukos, der gestorben war und von Äskulap durch Kräuter, die ihm eine Schlange brachte, wieder zum Leben erweckt wurde. Analog dazu ist der christliche Mythos von Tod und Auferweckung beim jüngsten Gericht durch den Salvator mundi zu sehen.

v.59f das … die nächste / Metamorphose bereit hält: Das lyrische Ich geht von dem Gedanken aus, dass der Untergang einer Kultur/Religion die Möglichkeit der Verwandlung und das Kommen von Neuem ermöglicht. Bild für dieses zyklische Geschehen ist die sich in den Schwanz beißende Schlange (der Ouroboros).

v.61: Die Ersetzung der Berge (v.1, 16 und 43) durch Götter verdeutlicht, dass hier die Ebene der Osterinsel verlassen wird und das lyrische Ich nun aus der Perspektive des christlichen Abendlandes spricht.

v.62: vermutlich Zusammenziehung aus ‚Herr Jesus domine’. Diese umgangssprachliche Verballhornung zeigt, dass die christliche Religion heute eine Schwundstufe erreicht hat.

v.64 Gethsemane: Der Garten, in dem Jesus Christus vor seiner Kreuzigung in Todesangst betete.

v.65: Hier überlagern sich zwei Zeitvorstellungen: eine zyklische Zeitvorstellung (nahegelegt durch die nächste / Metamorphose v.59/60) und eine Endzeitvorstellung (nahegelegt durch den Christus des Jüngsten Gerichts (vgl. zu v.50)).

Aspekte der Form:

Das Gedicht gliedert sich in neun Versgruppen. Die erste Versgruppe wird dreimal variiert (Str. 1, 3, 7 und 9), in Str. 1, 3 und 7 rufen die Ureinwohner gebetsähnlich jeweils einen Berg ihrer Insel an, in Str. 9 werden mit Herrjemine und Gethsemane christliche Inhalte angesprochen, hier reden offensichtlich Abendländer. Str. 2, 4 und 8 schildert jeweils mit konkreter Namensnennung und historische Details die Begegnung der Ureinwohner mit der Abendländern. In die Mitte des Gedichtes ist mit Str. 5 und 6 eine exemplarische Auswahl aus der ehemaligen Vegetation der Osterinsel eingeschoben, in Str. 5 aus der mythischen Sicht der Ureinwohner, in Str. 6 aus wissenschaftlichen Sicht der Europäer.

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