Der Donaudurchbruch bei Kloster Weltenburg

Überblickskommentar:
 
In der ersten Versgruppe wird geschildert, dass das lyrische Ich versucht hat, aus der Gegenwart heraus die Transzendenz zu erreichen. Die zweite Versgruppe zeigt mit dem Lullus-Zitat (s. zu v.8ff) eine in der Vergangenheit gelungene (mystisch orientierte) Verbindung mit der Transzendenz. Die folgenden sieben Versgruppen zeigen, wie das lyrische Ich über sieben verschiedene Arten (mit sieben Namen v.6f) versucht, einen Zugang zur Transzendenz zu gewinnen: über den Strom der Geschichte (III), der Natur (IV), der Technik (elektrischer Strom, V), des Bewusstseins (das Fließen der Musik VI und des Drogenrausch VII), der Sexualität (VIII) und des Mythos (IX). Die zehnte Versgruppe zeigt das Abreißen der Verbindung in der Vergangenheit. In der elften Versgruppe unternimmt das lyrische Ich einen weiteren Versuch zur Transzendenz vorzudringen: diesmal unabhängig von der Ratio, wort- und bildlos, also mystisch (wie Lullus). Ob dieser Versuch gelingt, scheint offenzubleiben, die zentralen Metaphern des letzten Verses (Finger und Mund) legen allerdings nahe, dass es tatsächlich zu einem im Titel vorweggenommenen Durchbruch zur Transzendenz kommt: und zwar durch das Gedicht.

Der Donaudurchbruch bei Kloster Weltenburg

Der Donaudurchbruch
 
I
unter der Wort-Glocke nachtlang

in
Reduktions-Klausur

mit glühenden Algorithmen

alle
Mengen
von
Metamorphosen rückführend

5auf ihre Elementarformen (
Konturpunkte

auf die Parameterachsen projiziert) mit
sieben

Namen hab ich
nach dir
gerufen
da

 
II
verkündeten
die Vögel
das Morgenlicht

und der Freund der das Morgenlicht war
10erwachte
 
IIIund glänzte hell auf dem
Strom

den freundlich
Aufbruchswinde
wellten

in jedem Schimmer Schicksal
hergewinkt
ein
Río Nilo
Kolumbus in La Rápida
mag sein des Colón der vorüber La Rábida
zogs ihn

15zog ihn zu unbetretenen Ufern über den
 
IV
Fließleib
der Tiefe wie er
rötlich
dahinströmt
hier
unverbaut unbegradigt

mit
Steingressling Schrätzer und Sterlet

malmstufenalte Kalkfels-

20engen in freien Wirbeln durchbrechend
 
Voder dem fernen
Samara
mit zwanzig das Zweitausend-
und Guri mit vierzehn das Zehntausend- und Itaipù
mit zwanzig Turbinen als High-Tech-
Buster
das Vierzehn-

tausend-Megawatt-
Morgenlied brüllend

25am
hochgemauerten Fels

 
VIund im
Schläfengeklüft
irgendwo wenn
er

Soul dröhnt Bowie dröhnt Prince
über

frühsiebziger
Analog-Sounds
dröhnt

roundings rotation
born to be

30nature`s child on a
carpet-

 
VIIride on the road on a
Harley

hip ride the Hopper`s
trip grass in your

Nas und ist
Strömungsmuster und Zufallscluster

mit
Prallhang und Gleithang
und irgendwann Konvergenz

35der
Prozesstrajektorien
selbst auf das
heillos
verwischte

 
VIIIGesicht einer
erwachenden Tanja

osteuropäischer Zunge
weil mit Muund

ist am schönnsten! im „Haus Hase“ (Kelheim
dritte Etage der Seitenflügel) die einen
rosa Wolga-Morgen

40weich ausatmet mit ihrem Traum
 
IX
während
am Rand der Welt
ein
Navaho-Kundschafter

Schmuckfedern
früher Götter
im Haar

wie er hinkniet am Ufer
todwund
und greift

mit der hohlen Hand
schöpft noch einmal
das Glutgestirn

45das sein Blut ist da
 
X
verstummte das Lied der Vögel

und der Freund der das Morgenlicht war
erblich
 
XIund im
Schweigen der Glocken

50
hochevakuiert
mit Algorithmen alle Mengen
von
Reflektion
rückführend auf ihre
Elementarform
(
Widerscheinpunkte

auf die Parameterachsen projiziert)
namenlos

rief ich dich
augenlos
aus dem Strom
alle zehn
55
Finger
krumm um den Mund
 
 
Stellenkommentar:

Titel: Der Donaudurchbruch bei Weltenburg liegt am niederbayerischen Abschnitt der Donau zwischen Kelheim und dem Kloster Weltenburg. Geologisch ist er dem Oberjura (Kalkstein) zuzuordnen. Zur übertragenen Bedeutung siehe zu v.54f.

v.1 unter der Wort-Glocke nachtlang: Die dem ersten Vers zu Grunde liegende Metapher scheint dem Gedanken Gestalt zu geben, dass das lyrische Ich unter der Herrschaft der Ratio steht (wie unter einer Taucherglocke) und ihm der Zugang zur Transzendenz fehlt. Das Fehlende macht sich als Leerstelle am Anfang des Verses bemerkbar. Der transzendenzferne Bereich wird als Nacht gekennzeichnet. Die ursprüngliche Einheit von Transzendenz und Ratio wirkt allerdings noch im Begriff Wort nach („Am Anfang war das Wort“ Genesis 1.1) und ist auch noch im Wort Glocke mit seinem sakralen Bezug spürbar.

v.2 Reduktions-Klausur: Das Kompositum wiederholt die ambivalente Struktur von Wort-Glocke, in dem es die Bereiche des Rationalen mit der Sehnsucht nach der Transzendenz verbindet. ‚Reduktion’ zeigt einerseits eine Beschränkung, andererseits die Rückführung (lat. reducere) auf Wesentliches. Ebenso meint Klausur einerseits eine Abschottung und andererseits die Konzentration auf Transzendentes (mönchisches Leben). Der Bindestrich zwingt die beiden Bereiche als gleich wichtig (ausgedrückt durch die Großschreibung) zusammen.

v.3 mit glühenden Algorithmen: Ein Algorithmus ist eine aus endlich vielen Schritten bestehende eindeutige mathematische Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems. In Form von Computerprogrammen und elektronischen Schaltkreisen steuern sie Computer und andere Maschinen. Im Gegensatz zur technisch-kalten Natur des Algorithmus steht das Attribut ‚glühend’, das dem Bereich des Feuers und übertragen der Liebe zugeordnet werden kann.

v.4 Mengen: auch ein der Mathematik entstammender (rationaler) Grundbegriff

v.4f Metamorphosen rückführend / auf ihre Elementarformen: Ursprünglich ein Begriff der Mythologie: Umwandlung der Gestalt. Später übertragen auf andere Bereiche des Lebendigen (Zoologie, Biologie etc.). Hier ist das Zurückführen auf die ursprünglichen, elementaren Gestalten gemeint.

v.5f (Konturpunkte / auf die Parameterachsen projiziert): Dem technischen Verfahren der Projektion liegt eine Umwandlung der konkreten Gestalt in eine mathematische Abstraktion zu Grunde (Die Kontur einer Figur wird durch x/y-Werte dargestellt). In der Klammer um diese scheinbare Erläuterung zu den Elementarformen (v.4) zeigt sich ein gegenläufiges Verfahren: Während bei der Rückführung auf die Elementarformen der Weg vom Allgemeinen zu den Ursprüngen geht, geht der Weg bei der Projektion vom Konkreten zum abstrakt Rationalen. Die Klammer selber aber lässt sich als die Konturlinie für eine konkrete Figur lesen. In dem Begriff Parameterachsen sind die Achsen eines Koordinatensystems und die Parameterdarstellung in einem Koordinatensystem zusammen gezogen.

v.6f sieben / Namen: In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es die sieben erlösenden Namen Gottes, die an sieben verschiedenen Stellen des Alten Testamentes genannt werden (z.B. 1. Moses 22.13-14). Gleichzeitig werden im Hintergrund die 7 Schöpfungstage aufgerufen.

v.7 nach dir: Auf der konkreten Ebene ruft das lyrische Ich nach seinem Freund, auf der übertragenen Ebene ruft der Mensch nach Gott. Mitzuhören ist der Beginn des 130.Psalms: De profundis clamavi ad te Domine (Aus der Tiefe rufe ich HERR zu Dir).

v.7 da: Existenzquantor, der das Erscheinen der Transzendenz anzeigt.

v.8ff: Zitat aus Raimundus Lullus ‚Llibre d’amic e amat (Das Buch vom Freunde und vom Geliebten)’ – Der „Liebhaber“ ist der gläubige Christ, der Mystiker, der „Geliebte“ jedoch Jesus Christus. Das Werk Llulls ist stark vom islamischen Sufismus beeinflusst. Das Zitat ist im Text der Abschnitt 26: „Die Vögel verkündeten das Morgenlicht, und da erwachte der Freund im Morgenlicht. Das Lied der Vögel verstummte, und der Freund starb für den Geliebten mit dem Morgenlicht.“ (mystische Liebeslyrik).

v.8 Vögel: Neben der konkreten Rolle des Vogelgesangs als Ankündigung des Sonnenaufgangs sind die Vögel hier auf der übertragenen Ebene ein Symbol für den Dichter, der den transzendenten Raum öffnet.

v.8 Morgenlicht: im Gegensatz zu nachtlang (v.1) die Zeit der Offenbarung der Transzendenz (der Götter)

v.11 Strom: i.e. die Donau (s. auch Titel). Beim Strom ist hier auch an Hölderlins Strom-Gedichte (Neckar, Rhein, Donau) zu denken, in denen der Strom einerseits eine Verbindung zur Transzendenz darstellen kann, andererseits auch ein Bild für den jungen Gott ist, mit dem ein neues Zeitalter beginnt.

v.12 Aufbruchswinde: Der den Strom wellende Wind ist auch als Pneuma zu verstehen, mit dem die Geschicke der Menschen in einen neuen Zeitabschnitt treten. Dazu gehören auch die folgenden Begriffe: Schicksal (v.13), Colón (v.14 als Entdecker einer neuen Welt) und unbetretenen Ufern (v.15).

v.13 hergewinkt: Poetischer Ausdruck dafür, dass das lyrische Ich hier einen anderen Strom, den Río Nilo, und damit den Aufbruch des Kolumbus assoziiert.

v.13 Rio Nilo: ein Flüsschen, auf dem Kolumbus, der sich mittlerweile spanisch Colón nannte, im Morgengrauen des 3. August 1492 von der Reede in Palos zu seiner Entdeckungsfahrt aufbrach; an seinem Uferhang liegt das Kloster La Rábida, wo er seinen Solhn Diego in die Obhut der Franziskaner gegeben hatte.

v.14f zogs ihn / zog ihn: Die Dopplung verstärkt das Sehnsuchtsmotiv.

v.16 Fließleib: ein Neologismus, der die Personifikation des Stroms bildlich darstellt.

v.16 rötlich: von der Morgenröte gefärbt

v.17 unverbaut unbegradigt: natürlicher Flusslauf im Gegensatz zu den befestigten und begradigten Flüssen in den v.20-25

v.18: Namen dreier in der Donau vorkommender Fische

v.19f malmstufenalte Kalkfels- / engen: Malm ist eine populärwissenschaftliche Bezeichnung für das Erdzeitalter Oberjura (161 – 145 Mio Jahre). In Süddeutschland ist der Malm in erster Linie von hellen Kalken und Kalkmergeln dominiert, daher auch der Name Weißer Jura.

v.21ff Samara: Samara ist – wie die im folgenden genannten Guri (v.22) und Itaipù (v.22) – ein Wasserkraftwerk (jeweils in Russland, Venezuela und an der Grenze Brasilien / Paraguay). Das Wasserkraftwerk bei Samara liegt am Kuibyschewer Stausee, der von der Wolga (vgl. dazu v.39) gebildet wird.

v.23 Buster: englische Slang-Bezeichnung für ‚Mordsding’

v.24 Morgenlied brüllend: pointierter Gegensatz zum ‚Morgenlied’ der Vögel (v.8f)

v.25 hochgemauerten Fels: i.e. die Staudammmauer

v.26 Schläfengeklüft: Der Strom des Bewusstseins ‚fließt’ durch die Gehirnwindungen wie die Donau durch die Kalkfelsklüfte.

v.26 er: i.e. der Strom

v.27 Soul … Bowie … Prince: Soul ist eine Hauptströmung der amerikanischen Unterhaltungsmusik (entstanden in den 1950er Jahren); David Bowie ist ein wichtiger Repräsentant der Popmusik (seit den 1970er Jahren), Prince beeinflusste vor allem in den 1980er Jahren die internationale Musikszene, indem er unterschiedliche Musikgenres miteinander kombinierte.

v.28 Analog-Sounds: im Gegensatz zu den heute gebräuchlichen digitalen Aufnahme- und Abspieltechniken

v.29 roundings rotation: engl. für ‚Rundungen Drehungen’, wahrscheinlich auf die damals gebräuchliche Schallplatte bezogen.

v.29 born to be / nature’s child: Variation einer Song-Zeile aus dem Song „Born to be wild“ der Band Steppenwolf: „Like a true nature’s child we were born born to be wild“

v.30f carpet-/ride: zu denken ist an einen ‚fliegenden Teppich. Gleichzeitig ein weiterer Song der Band Steppenwolf: „Magic Carpet Ride“.

v.31f Harley: Mit der Harley-Davidson, ride und Hopper wird auf den Film „Easy Rider“ angespielt. Der Film ist ein road movie mit Musik der Band Steppenwolf (vgl. zu v.29f). Die Protagonisten Wyatt und Billy (Peter Fonda und Denis Hopper) geben sich einem alternativen Lebensstrom hin, konsumieren Drogen (vgl. v.32f), besuchen beim mardi gras ein Bordell (vgl. v.36ff) und werden zum Schluss erschossen (vgl. 41ff).

v.32f trip grass in your / Nas: Drogeneinsatz zur Erweiterung des Bewusstseinsstroms

v.33 Strömungsmuster und Zufallscluster: Gemeint ist nicht nur das Strömen des Flusses, sondern auch das des Blutes und des Bewusstseins.

v.34 Prallhang und Gleithang: Als Prallhang bezeichnet man das kurvenäußere Ufer eines Flusses, das durch die hier stärkere Strömung abgetragen wird. Das kurveninnere Ufer (im Strömungsschatten) wird als Gleithang bezeichnet.

v.35 Prozesstrajektorien: Trajektorien sind in der Physik im allgemeinen die Bewegungspfade eines Objektes.

v.35 heillos: Die vom Christentum geleistete Interpretation der Menschheitsgeschichte als Heilsgeschichte wird durch die Abkehr von der Transzendenz in der Gegenwart zu einer Geschichte der ‚Heillosigkeit’.

v.36ff: Eine weitere Möglichkeit, sich der Transzendenz anzunähern, könnte sich über die Sexualität/Erotik eröffnen. Das Bordell verweist zurück auf den Film ‚Easy Rider’ (s. zu v.31f), die Wolga auf den Staudamm in Samara (v.21ff). Die Zunge, der Mund und die Kehle (Kelheim!) gehören oberflächlich zur oralen Sexualpraktik, verweisen tiefer aber auf die Stimme des Dichters, mit der er versucht, sich der Transzendenz zu öffnen.

v. 37f: Die Kursivierung imitiert den osteuropäischen Zungenschlag; sie gibt vor Zitat zu sein.

v.39 rosa Wolga-Morgen: Aurora, die Göttin der Morgenröte, wird evoziert.

v.41 während: Die hier nur temporal zu verstehende Konjunktion verdeutlicht nochmals die Gleichzeitigkeit der Versgruppen III-IX.

v.41 Rand der Welt: Es wird auf das ursprüngliche Verständnis der Welt als Scheibe angespielt, das u.a. auch durch Kolumbus (vgl. V.14) revidiert wurde.

v.41 Navaho-Kundschafter: Die Navaho sind ein nordamerikanischer Indianerstamm, der in Folge der Kolonialisierung fast ausgerottet worden ist. Die Kundschafter-Funktion entspricht der des Kolumbus und eröffnet einen Raum kultureller und kriegerischer Auseinandersetzung.

v.42 Schmuckfeder: Die Feder ist auch eine gebräuchliche Metapher für das Schreibwerkzeug des Dichters.

v.42 früher Götter: Es sind sowohl die ‚früheren’ Götter als auch die Göttin der ‚Frühe’, Aurora, gemeint.

v.43 todwund: Verweis auf den Untergang der indigenen Völker, ihrer Religion und ihrer Kultur. Parallel dazu ist das Schwinden der christlichen Religion zu sehen.

v.43ff: Indem der Kundschafter mit der hohlen Hand aus dem sonnenbeschienenen Fluss Wasser schöpft, schafft er noch einmal spirituelles Leben und damit einen nicht entfremdeten Zugang zur Religion, die sein Blut ist. Bei diesem Bild kann man an das Schubert-Lied „Im Abendrot“ denken, dass mit dem Versen „Und dies Herz, eh’ es zusammenbricht, / Trinkt noch Glut und schlürft noch Licht“.

v.46ff: Fortführung des Raimund-Lullus-Zitates (vgl. zu v.8ff)

v.49 Schweigen der Glocken: Metapher für eine transzendenzferne Zeit, unsere Gegenwart

v.50 hochevakuiert: Evakuierung (lateinisch evacuare ‚ausleeren‘) ist die „Räumung eines Gebietes von Menschen“. Im Gegensatz zum Bereich des Religiösen, dem die Tiefe (vgl. v.16) zugeordnet ist, befindet sich das lyrische Ich hier im Bereich des Mathematisch-Technischen, dem höchsten rationalen Bewusstseinszustand, der allerdings vom eigentlich Menschlichen ‚entleert’ scheint.

v.51 Reflektion: abgeleitet von ‚reflektieren’ (1. widerspiegeln, 2. nachdenken). Das dazugehörige Substantiv wird eigentlich mit x (‚Reflexion’) geschrieben. Die Änderung der Schreibweise nimmt die Widerscheinpunkte (v.52) vorweg.

v.52 Elementarform: Im Gegensatz zu v.5 (Elementarformen) wird hier der Singular gebraucht, um zu zeigen, dass der Ursprung, das Göttliche gemeint ist, auf das zurückgeführt wird.

v.52 Widerscheinpunkte: Vgl. zu v.5ff. Im Gegensatz zu den Konturpunkten, bei denen nur der Umriss einer Gestalt sichtbar ist, wird hier im Widerschein eine Gestalt des Transzendenten selbst sichtbar. Vergleichbar dem Gedanken Goethes „Am farbigen Abglanz haben wir das Leben“ (Faust II v.4727)

v.53 namenlos: Im Gegensatz zu v.6f, in denen das lyrische Ich versucht, die Transzendenz mit sieben Namen zu rufen, wird hier der Zugang zur Transzendenz wortlos, nicht von der Ratio abhängig, gesucht.

v.54 augenlos: Auch über das Bild kann kein Zugang zur Transzendenz erfolgen.

v.54 aus dem Strom: Aus der Gegenwart (als Zusammenfassung der vorhergehenden sieben Ströme) ruft das Ich.

v.54f alle zehn / Finger krumm um den Mund: Die Geste der Rufens verweist mit Finger und Mund auf den Vorgang dichterischen Schaffens und lässt scheinbar offen, ob das laut- und bildlose Rufen erfolgreich ist. Der Titel allerdings zeigt mit Durchbruch und Kloster, dass das Rufen aus der Weltenburg im Gedicht eine Annäherung an das Göttliche ermöglicht.
 
 
Aspekte der Form:

Die Versgruppen III – IX sind der Odenform angenähert. Der Satz des Gedichtes wirkt wie ein Strom mit Ufer (I+XI), Strand (II+X) und Fließendem Wasser (III-IX). Der fast durchgängige Hakenstil (die Sätze verbinden die einzelnen Strophen miteinander) versinnbildlicht das Fließen und das Mäandern des Stroms.

v.23f Vierzehn-/tausend-Megawatt-Morgenlied: Wortungetüm zur Versinnbildlichung eine ‚Mordsdings’ (vgl. zu Buster).

v.27f dröhnt: Die dreifache Wiederholung des Verbs verdeutlicht die Lautstärke der Musik und leitet bereits über zum folgenden Drogenkonsum (bedröhnt, Dröhnung).

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