Überblickskommentar:
Grundgedanke: ein moderner Kontrapunkt zur heute stillen Transzendenz, in Verse gesetzt durch den Dichter.
Versgruppe 1 beschreibt die Transzendenzferne der Gegenwart. In VG 2 wird der ‚Produktionseinfall‘ in einen Dichter geschildert. VG 3 thematisiert die Verbindung von Gedicht und ’spukhafter Fernwirkung‘ der Transzendenz.
KONTRAPUNKT
Titel
Gegenstimme zu einer vorgegebenen Tonfolge
Unter der
Schwundformv.1f
Die Gegenwart wird beschrieben als Schwundform ('ausrieselnd' wie in einer Sanduhr) der Transzendenz. Der Plural von Himmel verweist auf das Sphärenmodell des Mittelalters, in dem es sieben bzw. zehn Himmelskugeln gab.
Ausrieselnder Himmel
Es sind
Mondschattentage
Mondschattentage
Wenn die Erde in den Mondschatten tritt, gibt es eine Sonnenfinsternis. Hier steht die Sonne für die in der Gegenwart verschattete Transzendenz.
Im Abgrund
der Augenv.4f
Auch wenn sich auf der Netzhaut des Auges unabhängig von der Sinneswahrnehmung gelegentlich Lichtreize (Erinnerung an die Transzendenz) zeigen, so ist die Wahrnehmung der Transzendenz für uns doch verdunkelt (Abgrund der Augen), weil wir in Zeiten einer Sonnenfinsternis leben.
5Und kurz diese Lichtreize
Stille − wie Herbstnachtkühle −
v.6
Stille ist hier zunächst das Schweigen der Transzendenz. Diese Stille wird verglichen mit der Jahreszeit 'Herbst', die dem Ende des Jahres vorausgeht, der lichtlosen Tageszeit 'Nacht' und der 'Kühle' der Sonnenfinsternis.
Manchmal noch
Rebenlaub
Rebenlaub
Das Rebenlaub verweist auf die abwesende Traube, den bereits geernteten Wein, der im Abendmahl für die Anwesenheit Christi steht.
Und auch
Johanniskraut
Johanniskraut
Das echte Johanniskraut wird auch als 'Herrgottsblut' (vgl. zu v.7) bezeichnet. Der Name bezieht sich auf Johannes den Täufer, den Propheten der Endzeit und Wegbereiter Jesu Christi.
Dazwischen
wenn Windv.9f
In den Mittelzeilen des Gedichtes tritt mit dem Wind, dem göttlichen Pneuma, die Transzendenz auf. Der Wind fällt in einen Buchsbaum ein und erzeugt Töne wie eine Äolsharfe. Diese ist in der Tradition ein Symbol für den Dichter. Dass der Wind Einfällt, verweist auf die göttliche Herkunft der Inspiration, den 'Einfall' des Dichters.
10Einfällt ein
Flötenbuchs
Flötenbuchs
Buchsbaum (Buxus sempervirens) wird wegen seiner unübertroffenen Härte gerne zum Drechseln und für Holzblasinstrumentenbau, also auch für Flöten, verwendet. Das lat. buxus ist u.a. auch eine Bezeichnung für die Flöte.
Fühlt sich in
Fabelfarben
Fabelfarben
Wie in einer Synästhesie werden hier die 'vieltönenden' Fabeln (Einfälle) des Dichters mit Farben, die aus der Vergangenheit herüberklingen, verbunden.
Stille − wie Gräber leer −
v.12
Stille ist hier der Verweis auf die Transzendenz, sowie das leere Grab auf die Auferstehung, auf Christus und alle Auferstehenden am Jüngsten Tage (Gräber leer) hinweist.
Und schon erregt
er
von er
i.e. der Wind bzw. der Flötenbuchs
ihrem
ihrem
i.e. dem Fest der Fabelfarben
Unnahbar vergangenen
Unnahbar vergangenen / Fest
Die antiken Feste feierten die Anwesenheit der Götter in Dichtung, Gesang und Tanz. Dieser Ort der Transzendenz ist Unnahbar und die Zeit ist 'vergangen'.
15Fest hier ein paar Tanzfiguren
Spurtreu
sich einschwingendv.16f
Der Dichter fühlt - einschwingend - sich in die 'Spuren' der Transzendenz ein, 'spiegelt' sie in seinen Gedichten und setzt damit ihre Wirkungslinien fort.
Gespiegelten Wirkungslinien
Stille − dass ich die Stille
v.18f
Stille ist hier zunächst ein Herbeigesehntes (während sie in v.6 und v.12 Zustandsbeschreibung sind). Das lyrische Ich wünscht sich, Hinter der Abwesenheit der Transzendenz (Stille v.6) die Anwesenheit der Transzendenz (Stille v.12) zu hören. Das Paradox 'die Stille hören' verweist auf einen mystischen Zugang zur Transzendenz.
Hinter der Stille − hör
Stellenkommentar:
Titel: Gegenstimme zu einer vorgegebenen Tonfolge
v.1f: Die Gegenwart wird beschrieben als Schwundform (‚ausrieselnd‘ wie in einer Sanduhr) der Transzendenz. Der Plural von Himmel verweist auf das Sphärenmodell des Mittelalters, in dem es sieben bzw. zehn Himmelskugeln gab.
v.3 Mondschattentage: Wenn die Erde in den Mondschatten tritt, gibt es eine Sonnenfinsternis. Hier steht die Sonne für die in der Gegenwart verschattete Transzendenz.
v.4f: Auch wenn sich auf der Netzhaut des Auges unabhängig von der Sinneswahrnehmung gelegentlich Lichtreize (Erinnerung an die Transzendenz) zeigen, so ist die Wahrnehmung der Transzendenz für uns doch verdunkelt (Abgrund der Augen), weil wir in Zeiten einer Sonnenfinsternis leben.
v.6: Stille ist hier zunächst das Schweigen der Transzendenz. Diese Stille wird verglichen mit der Jahreszeit ‚Herbst‘, die dem Ende des Jahres vorausgeht, der lichtlosen Tageszeit ‚Nacht‘ und der ‚Kühle‘ der Sonnenfinsternis.
v.7 Rebenlaub: Das Rebenlaub verweist auf die abwesende Traube, den bereits geernteten Wein, der im Abendmahl für die Anwesenheit Christi steht.
v.8 Johanniskraut: Das echte Johanniskraut wird auch als ‚Herrgottsblut‘ (vgl. zu v.7) bezeichnet. Der Name bezieht sich auf Johannes den Täufer, den Propheten der Endzeit und Wegbereiter Jesu Christi.
v.9f: In den Mittelzeilen des Gedichtes tritt mit dem Wind, dem göttlichen Pneuma, die Transzendenz auf. Der Wind fällt in einen Buchsbaum ein und erzeugt Töne wie eine Äolsharfe. Diese ist in der Tradition ein Symbol für den Dichter. Dass der Wind Einfällt, verweist auf die göttliche Herkunft der Inspiration, den ‚Einfall‘ des Dichters.
v.10 Flötenbuchs: Buchsbaum (Buxus sempervirens) wird wegen seiner unübertroffenen Härte gerne zum Drechseln und für Holzblasinstrumentenbau, also auch für Flöten, verwendet. Das lat. buxus ist u.a. auch eine Bezeichnung für die Flöte.
v.11 Fabelfarben: Wie in einer Synästhesie werden hier die ‚vieltönenden‘ Fabeln (Einfälle) des Dichters mit Farben, die aus der Vergangenheit herüberklingen, verbunden.
v.12: Stille ist hier der Verweis auf die Transzendenz, sowie das leere Grab auf die Auferstehung, auf Christus und alle Auferstehenden am Jüngsten Tage (Gräber leer) hinweist.
v.13 er: i.e. der Wind bzw. der Flötenbuchs
v.13 ihrem: i.e. dem Fest der Fabelfarben
v.14f Unnahbar vergangenen / Fest: Die antiken Feste feierten die Anwesenheit der Götter in Dichtung, Gesang und Tanz. Dieser Ort der Transzendenz ist Unnahbar und die Zeit ist ‚vergangen‘.
v.16f: Der Dichter fühlt – einschwingend – sich in die ‚Spuren‘ der Transzendenz ein, ’spiegelt‘ sie in seinen Gedichten und setzt damit ihre Wirkungslinien fort.
v.18f: Stille ist hier zunächst ein Herbeigesehntes (während sie in v.6 und v.12 Zustandsbeschreibung sind). Das lyrische Ich wünscht sich, Hinter der Abwesenheit der Transzendenz (Stille v.6) die Anwesenheit der Transzendenz (Stille v.12) zu hören. Das Paradox ‚die Stille hören‘ verweist auf einen mystischen Zugang zur Transzendenz.