Für Berend Wellmann
KLEINE KAPELLE
Bei einer Stille zu Gast
Wo der Weinstock die Reben vergisst
Der Bambus das Rohr
Die Rose den Dorn
Da klirrt der Küster
Ein Schlüssel aus zweierlei Glas
Der nur zuschließt
erfahrenes-berlin
Kleist am kleinen Wannsee
KLEIST AM KLEINEN WANNSEE
Wanderer nicht diese Tafeln Fotos
Gelehrte Daten über das Tragische
Auch Rauch nicht der friedsam steigt
Frommes Klischee am Jenseitsufer des Sees
Nur an der Eiche der Zweig
Nur ach der Amsel-
Hals dort anstotternd
Gegen den Regenvorhang
Nimm die Hand aus der Tasche
Sieh sie an schließ die Augen
Und krümm die Fingerknochen
Gegen die Schläfe jetzt
Bist du mir nah
Und dir
Wilhelmshöher Straße
WILHELMSHÖHER STRAßE
Beim ersten Glockenschlag
Vom Guten Hirten fühl ich noch
Schwach Weihnachten Kindheitsglück
Aber beim dritten denk ich schon wieder
Jungferngeburt und zerebrale
Schamröte und trete in die Pedale
Vorbei an der Axa-Unfall-und-Lebens-
Wo schwarz ein Kombi mich überholt
Was eigentlich wohl ein Zeichen
An Fahrradschicksale zu denken
Und Konsequenzen zu ziehen
Tu ich aber nicht sonst müsst ich
Mit Blick auf die Handrückenflecke
Auch gleich an die eine Schwachzelle
Unter Milliarden denken die morgen
Gerät sie vielleicht auf die böse Bahn etc.
Stattdessen leb ich mit dem Gefühl
Dass irgendwie ich ein dickes Fell hab
Bin jetzt bereits an der Lampenklinik
Und hör auch die Glocke nicht mehr
Obwohl ich schon glaube
Irgendwo schlägt sie noch immer
Homburger Straße
HOMBURGER STRAßE
Oh weh! Opa Schreber die Güte
Selbst sie ist fort! Leer die Parzelle!
Dabei schon so alt ja gebürtig
Schaltjahre vor seinem Klarapfelherbling!
Wo mag er hin sein? Oder womöglich
Ganz hin unser Uropa Schreber?
In himmlisches Veilchenblau aufgelöst?
Vorm Mitteilungskasten schon Stare
Pfeifchöre in Moll einübend
Auf seine Ruhezeitregeln und ach
Stuckessig an Nummer 8 jetzt die üppigen
Schautrauben und aus dem Geldautomaten
Gratis nur Halbtrauerflor die Klöppel
Der großen Turmglocken tragisch
Abbindend wie Greisenklöten
Hahn allein Hahn der Bestatter fuchsteufelswild
Hetzt gegen Himmelfahrten während
Die Blindschleiche ging es nach ihr
Das ledige Erbgut es würde
Am Kirchplatz vorbei im Prometheus
(Siebzehnte Schlangenbader) genüsslich –
Ich aber nein wisst ich geh
Unter kein Dach geh ich ohne vernünftiges
Blitzschutzsystem!
HKW im Spiegel
HKW IM SPIEGEL
Fraglos Auster und schwanger – wie du gut siehst
Wenn du den Zugang nimmst über den Spiegelteich
Mit seinem polierten Bronzegebilde das dann einer ausgetrieben
Aufgesprungenen Perle gleicht
In Wirklichkeit aber ein Schmetterling ist
Im Haus also dieses kollaborative Format für künstlerische
Kuratorische poetische und aktivistische Forschungspraktiken
Zur Untersuchung von Hamburgs Subkulturen der 1960er Jahre
Und psychiatrischen Praktiken im (post-)kolonialen Senegal
Sowie Archivalien zu polymorphen Geschlechterrollen in den
Afro-diasporischen Religionen Candomblé Vaudou und Santería
Und dem Einbruch der Aids-Krise in die schwule Community
Ergänzt um kuratorische Statements der Projektstationen
In Salvador da Bahia Rio de Janeiro Santiago de Chile Dakar
New York und Lissabon und dann zurück durch den Ausgang
Wo deine Lunge wieder zu Atem findet –
Und jetzt fällt dir auf wie rund und rein
Der Himmel sich unten im Wasser spiegelt
Und auch der Schmetterling wie er mit einem
Luftzug die Flügel zu regen beginnt
Unterm Carillon
UNTERM CARILLON
Nur schnell und vorbei an so Leuten
Die nichts tun als Tiergartengrill
Und Tiergartenbräune und Tiergartenschläfchen
Da! Gong oder Glocken
Irgendwo hier – Carillonklang!
Sonntagssymbol Wunderfigur
Ohne Sermon Herrgott Gebet
Silbernes Spiel!
Und ab und zu – was da anklingt wie
Bleib stehn ob du es erkennst
Choral vielleicht oder auch Volkslied
Wohl nicht aber du begreifst
Mit etwas verbindest du es
Wovon du nur weißt dass du es
Nicht kennst und dass du es
Wieder verlierst wenn du weiterläufst
Und das gleich
Weil du musst
Wie du glaubst
Europacenterzeiten
EUROPACENTERZEITEN
Vor drei Etagen
Klamottenkult und Touri-Restaurants florierend dort
Hier bereits geräumt
Röhren aus Glas und darin grünlich neonkoloriert
Bewegtes Wasser
Das senkrecht pumpend mühsam aufwärts erst
Dann im Sturz hinab
Die Zeit anzeigen soll und wie sie fließt
Früher ich meine in den Sechzigern
Spricht mich ein Rentner an ach wissen Sie
Das kommt nicht mehr da gabs noch was zu sehn
Ich sage Ihnen richtig so mit Käppi (Samt kirschrot!) und
Beinschwung was man ne ältre Dame nennt die drehte morgens
In aller Ruhe drehte die – das Wasser damals wars gefroren
Und Eismanege – hier wunderbare Schlittschuhrunden
Oft auch mit etwas Publikum und war trotzdem
Immer nur ganz für sich und irgendwie
Wie von nem anderen Stern
Wo sie vermutlich denk ich da entrückten
Glückseligen Göttern längst Gesellschaft leistet
Während ich hier muss noch rasch zu Ersay –
Diese Timex! Und mit Digitalanzeige!
Subtropengewächse
SUBTROPENGEWÄCHSE
Einfühlsam frag ich sie erst einmal
Nach der Drift der Gemütsverfassung –
Entfernt ihrem wahren Wurzelgrund
Eingeschlossen in bauchiges Glas
Und Rippen aus Stahl . . .
Noch zweifelnd ob Schweigen Verwirrtsein
Anzeigt und feuchtgrün Rascheln ein Murren
Hör ich dort oben die Deckenstruktur
Belehrt eine markige Stimme
Ihre Gefolgschaft ist orientiert am
King`s Chapel wo statt der normalen
Gotischen Kreuzform Strahlen
Wie Handfächer aufeinander
Zustreben und sofort hinaufschauend
Als ob schon Palmsonntag wäre
Seh ich den Baumfarn mit seinen zahlreichen
Fiederblattwedeln euphorisch den gläsernen
Lichtfilter aufhauen –
Halt ein! schrei ich bleich
Wie der Schnee draußen
Kreuzberger Uferwürfe
KREUZBERGER UFERWÜRFE
Sechs Merlots und so 30 Kindl
Schlucklos eine Sekunde
Vor halboffenen Mündern
Vor silbern sich rundender
Wurfbahn –
Dann kurz Händedrücken
Die Holzbänke entspannt
Bis der nächste sein Glück
Mit heimlichem Code anvisiert
Ich wenn ich nicht hier bin spiel ich
Knallhart mit dem Kopf spiel ich Boule
Bis sein Mentales das spür ich es führt
Mit Scharten führts bei Geduld zur
Brücke von Ziel und Gefühl
Kein Wunder folglich
Dass ich der King bin!
Doch zeigen nein tu ich es nicht
Platziere das heikle Ding stets
Ziemlich auf Abstand – nur ja bloß
Kein Volltreffer! Kein Einschlagstrichter
Der aufklaffend der Sandboden
Haltlos mich ansaugt – mich der
Ganz ohne Code!
Wiesbadener Straße
WIESBADENER STRAßE
Selbst der Nordostwind nimmt sich zurück
Wenn er hier die Platanen mustert
Wo über die Gäste gebeugt Cobo Encaso
Nur mit der Spitze des Messers zeigt er
Aufs Rachenfeuer in seinem Rocoto
Während am Nachbartisch Friedenau
Mit den heut Schwächeren anstößt
Auf wohlwollende Versionen der Kugel
Unter dem Fuß der Fortuna
Sieh noch das Spinnrad mit Bierschaum der nie
Über die Maßränder sabbert
Oder nimm Himmer mit Schminkeinsätzen
Wo Damen danach auch wieder
Herauskommen wie Damen –
Aura die nicht ganz leicht sich erklärt
Zumal dieser Typ von Fahrrad Stop
Gestern erst hat er mir noch versichert
Alles mit Rücktritt sei out
Aber vielleicht sagt er das nur um weiter
Überall mitzumischen
Taunusstraße
TAUNUSSTRAßE
Ja Letzat Letzat an jeder Ecke drei Letzatstinker!
Knallorange-Kombis mit speckigen Latzhosen!
Denkt der denn ganz Berlin plus Potsdam das ist
Alles nur Warmwassermuffe und Heizklo
Für seine bescheuerten Rohrkneifer und Dichtungskringel?
Da frag mal Frau Nebelkrähe die weiß Gott
Scheißt drauf! Natürlich so Megatussen wie die
Was mir den Blick jetzt blockiert bauchfreie
Hochseehüftentonnagen listig gesichert
Mit Legginskorsett die klar keine drei
Wochen da wollen sie schon eine anders neuschnieke
Klobrille dass die ihr Arschfett umarmt weil
Nämlich selbst Typen wie der grad sein Bier hier
Vorm Taunuseck grün auf die Adidas abkotzt also
Die schaukeln da ihre Karnickeleier noch lieber
Bei minus fünfzehn am Vorgartenginster Skate aber
Das hat mir jetzt echt noch gefehlt Quietschen
Mit Guckmalgeratter mit oben Mulatte der lässig
Wird er sich gleich in den Schritt denk bloß nicht
Freundchen dass ich irgendwie auch du von sämtlichen
Schwefelgewittern Sodoms angekokelter Wichser
Obwohl – wenn mans so sieht souverän gehaltenes
Gleichgewicht das noch trotz Bordstein und Schlagloch
Da hat er vielleicht übertrieben der Alte
Jagdschluss im Grunewald
JAGDSCHLUSS IM GRUNEWALD
Ein Renaissancejuwel waldgrün gefasst –
Herunter auf die Blaue Hand gekommen und Kulisse
Für gruselkrimikruden Kinski-Wallace!
Tja – wie denn das?
Zu kombinieren: Rache die am Haus
Postum – denn falls die schöne Gießerin
Wer weiß den Dielendurchbruch für die Frau –
Im Übrigen verdächtig ist nicht nur
Der tote Hirsch nein auch mit Krakenarm der Grimm
Des legitimen Krüppels – Erniedrigung
Die dann die linke Hand im Treppenturm
So lange eingemauert bis sie sich blau zeigt –
Das würde passen gäb es da kein Unter-
Geschoss mit diesem Sechzehnender – der statt wie
Gedacht harmloses Wanddekor vielleicht
Gar Anfang einer Rachekette als
Die blinde Lust der Jägerin mit Halali
Ärschlings in den Begegnungsfall –
Wo auch so wünscht waldgrüner Groll
Alle die noch im holze ligen
Und fro der jagdt gewarten mit dem Blick
Der bricht weidwund die hol der –
Zitadellenfinsternis
ZITADELLENFINSTERNIS
Ist die süß! – Pichelt ja auch (steht hier)
Nichts als karibischen Blütennektar!
So spricht sichs in diesem Schaugehege
Dazu mit Signalen wie schräge Obertonmonodien
Die Echoortungen aus dem Detektor für Ultraschall
Fledertiermund für Besucherohren
Bei künstlichen Dämmerstunden
Doch wenn es wirklich dunkelt in Spandau
Weither durch rückwandige Risse und Spalten
Aus den erwachten Gewölben unhörbar
Schwärmen sie aus – kiesgrau verzwergte
Drachengeschwader die kralligen Füßlein
Mit Zwielichtkassibern beladend
Mondnachrichten für heimliche Gräber
Dass spät wenn im Schlaf dann ausruht
Was rechtschaffen lebt und Glas die Wände
Die Krallen Stahlnägel sind vergebens
Halt ich die Ohren zu
Umtrunkrunden auf dem Rüdesheimer Platz
UMTRUNKRUNDEN AUF DEM RÜDESHEIMER PLATZ
Winzergott Rhein mit Mosel dem Schankmadel
Substanz grundsolide weil Stein
Dort oben am Brunnenrand
Tendenz aber voll oechslegelockert
Weinlaub statt Hirn mit Trinkschale statt Slip
Zu ihren Füßen hier unten und vielfach
Die Rieslingbekenner bunt hingestreut
Zwischen da Pappeln da Rosenrabatten
Im Brunnen froschnacktes Hüpfervergnügen
Neid meiner Weinigkeit die mehr und mehr
Wird sie wunschloses Lotusgelächel
Und sag ich Heinrich sags einfach zum Patriarchen
Der launigen Ethnie hinter mir
Ich glaub echt mein Wagen bricht darauf
Diffuses aber ich weiß ja ich weiß und
Hoch die Tassen hallo Göttliche ihr dort –
Nur der zwischen euch jetzt dieser Siegerclown
Wozu bitte schön der denn nun wieder Kinn hoch
Brust raus und möchte gern eine Art Wundertrakehner
Im Senkrechtstart will auf dem also wohl irgendwie
Wasserverkoster kann ich da nur oh Mann
Aber das Glas ehrlich jetzt megaschwer
Sinken werd ich es lassen sinken
Und geh ihm mal auf den Grund
Hasenzeit in der Hasenheide
HASENZEIT IN DER HASENHEIDE
Hier wo im Rosengarten verwelkte
Romanzen zart wieder zu blühen beginnen
Und wo zur Hasenzeit wenn es heiß ist
Im Streichelzoo selbst echt schwierige Fälle
Zu lämmlichem Lächeln finden
Schulschwänzer den Zeigegreisen
Zuraunen dass sie richtig gut drauf sind
Und wo wenn es heiß ist zur Hasenzeit
Hältst du ein Buch in der Hand
Dem Kopftuchgekicher ein Erdbeereis
Cool das Erröten abnimmt
Luftgeister die Stimmungskanonen
Schalldämpfen mit Stummfilmrollen
Und wenn du ein Buch in der Hand hältst
Die schläfrig angeblätterte Seite
Nostalgische Nieren aus Schweifbeton
Mit Korn versöhnt und mit Friedhofsmolle
Und die zur Hasenzeit wegsinkende Seite
Aufsteigend Weißlinge aus sich entlässt
Denen – gib acht! – hinter jedem Busch eine
Schwarzpulverfalle –
Doch keine Sorge! Ich werd meinen
Klaren Kopf schon behalten!
Friedhofskaffee
FRIEDHOFSKAFFEE
Dies also das Tor und laut Google-Information
Dahinter der Friedhof – und zwar Café inklusive!
Nun aber: Die Freisitze alle nicht frei
Und in der Stube mit Kreuz und Plüschpuppe
Frei nur bei hier und bei da – hier heißt
Verheultes Busenbollwerk das sein Gesicht
Sogleich wegwendet und da Schwulenclub der
Spielt gnadenlos Galgenmännchen
Und wär doch ganz schön die nichts
Mehr bedürfen die Toten zum Tee zu laden
Die Märchenbrüder die Kinder mit Sternenhändchen
An einem Familientisch um mich zu haben
Und reden und Namen raten
Nur eine Rollstuhl-Greisin die winkt
Mit ihrem Glas Milch jetzt – grob aber
Mit Morgen vielleicht! Vielleicht du
Schon morgen! tritt dazwischen der Wirt
Vielleicht ich also morgen schon –
Doch klar gibt es glaub ich auch dazu
Bei Google noch Alternativen!
Torte mit Teufelsberg
TORTE MIT TEUFELSBERG
Ehrlich gesagt bei mir das sind ja Jahrzehnte
Fräuleinchen noch so eine Schwarzwälder
SeinSe mal bitte aber meine Zweitältste
Alles in Fetzen sagt sie dort die Abdeckung –
Hab ich doch auch in unsrer Heimnachricht
Nur noch Ruine trotzdem mit am Tor Kasse –
Manchmal im Traum noch tu ich Schutt schuften
Indisch ach Fräulein von dem Obstkuchen
Bitte noch eins mit Trümmerfrauturban
War ja die ganze Stadt nur Brandwunde –
Aber das Gipfelkreuz dann samt Geheimwesen
Horchtürme die bis meine Schwarzwälder
Fräulein erinnern Sie sich hinters Weltende –
Unheimlich still wars dort du hättest Gottvaters
Herzschlag mit deinem eignen Herz manchmal –
Ich erst das Kreuz hab ich geglaubt na jetzt endlich
Fräulein das bannt den Bösen trotzdem fehlt etwa
Irgendwas heute wo der Russe weit weg ist –
Sag ich doch jeder kann wie wir Reichert
Wo Boulevard und Schloss gleich ist –
Hier aber die reinsten Backwunder
Huch schon halb sechs und meine Whistrunde –
Aber die Arkenberge Fräulein gleich zahlen
Die für ein Gipfelkreuz wärn ideal sagt man –
Bundesallee mit Friedrich-Wilhelm-Platz
BUNDESALLEE MIT
FRIEDRICH-WILHELM-PLATZ
Dr. Rude mit seiner Apotheke
Aber daneben der Gute Hirte
Ein Döner-Kebab
Aber daneben die Arjuvedischen Spezialitäten
Ein Spielkasino
Aber daneben Sanyo der Kontoretter mit Kassensystemen
Soviel zu den Eulen
Die in der deutschen Gotik Hof halten
Neben dem Landhausstil aus Italien
Und übrigens auch dafür sorgen
Dass Bauarbeiter hier klug in der Zeit bleiben
Wenn sie sich mit dem Saum des T-Shirts
Den Schweiß von der Stirn wischen
Und dass die junge Frau dort das Häubchen
Das jetzt ihr kleiner Balg wegstößt
Selber sich auf das erhobene Haupt setzt
Wie einen Helm
Bundesplatz
BUNDESPLATZ
Kein Gruß jetzt? Gefällt mir. Sehr.
Du schläfst? Wie gut es dir geht!
Träumend vom polnischen König der
Die syrischen Krüppel segnet
Die indischen Pestbeulen glättet
Die afrikanischen Heuschrecken
In Manna verwandelt und eigenhändig
Dir auf dem Goldteller kredenzt.
Und ich? Sieh: Erschöpft bin ich.
Hungrig! Doch nein nichts
Mit Roma. Auch nicht Oriental-Imbiss.
Nur Aldi. Ehrst du den Pfennig nicht –
Oder ich faste sogar was ziemlich
Wobei dann ja noch dieses Innere
Das irgendwie leichter wills
So ein Ballon der die Sand – wo war ich – ?
Du jedenfalls dass du nachher nicht wieder
Vor jedem der hier nach anstrengender
Geschäfte Abwicklungen heraustritt
Aus seiner Bank die Hand aufhältst –
Okay?
Comenius-Geräte
COMENIUS-GERÄTE
Mikroskop Teleskop Spiegel –
Seit des Comenius Tagen
Haben sich die Geräte wacker
Aus des Allmächtigen Augenwinkeln
Vorgeschoben bis über das Zentrum
Aber die Sehschärfe Gottes hat sich
Wenn einer mich fragt
Seither nicht verändert
Die rechte Schmiede
DIE RECHTE SCHMIEDE
THORSTEN THEEL in Lederschürze
Abschreckbecken hier und dort der Blasbalg
Zwischen Kohlenkubus und der Flammenpyramide
THORSTEN THEEL mit Schmiedehammer
Amboss Amboss und das zufällige
Eisen zwingend in die Form des Hufs –
Thorsten Theel ist natürlich ein Mythos
Wie Hinkephaistos oder der Demiurg
In Wahrheit tut es schon ein Blatt Papier
Bedruckt mit Kästchen Typus Maschendraht
Oder so Raster für Gehirndesign
Das perforierst du dir für einen Strahl
Perfekter Provenienz der sich erhitzt
In seinem Werkstück – das erwachend
Bald halb beglückt bald halb beleidigt
Brandkrater unter Feuerrosen zeitigt
(Schmerzhaft die Augen in den Händen?
Grad als ob ein dämmerndes Gedächtnis
Hangelnd an einem Halm den Morgen sucht?
Fühl dich auf einer guten Spur!)
Die Spinnerbrückenrunde
DIE SPINNERBRÜCKENRUNDE
Bei zwölfmal zehn Kronleuchtern
Bei zwölfmal Hirschkeule
Und zwölfmal Maulbeerwein –
Endlos für Kumpel Iwan
Und die wie Kai und Arthur
Das Fest über der Avus
Im Blick aber nun Erich mit seinem
Hurricane-Helm der auch so ein
Chromblitz von Zwilling ist
Und mit Adventure-Karre auf Piste
Jetzt in die Gießhübel einschwenkend
Kippschräg und bingo! mein dieses Hanging-
Over denn herzunbedingt will er
Mir gleichen – ach wart nur mein Wilder
Im Dreck an der Ochsenberg
Schrammts dir den Lenkerkopf weg
Den Schrott des Naked Bike
Lass dem fatalen Erdreich –
Dich zieh ich bis wir beiden
Uns nicht mehr unterscheiden
Avus im Ruhestand
AVUS IM RUHESTAND
Nicht leicht zu finden
Zu diesem Autotheater der Zugang
Wo auf der Tribüne nur Wind
Der pfeift auf die Radrekorde
Wie er so ohne Gnade die Fahnenstangen
Der Rennwelt bloßstellt
Doch legst du den Müßiggang ein
Und überholst mal die ersten dreihundert
Träumenden Lkw – sieh da die Leitplanken
Verwundert wie sie die Lust verlieren
Sich noch in die Nordkurve zu legen
Und dafür geradewegs
Probieren sie etwas Unendlichkeit
(Und Caracciola? Und auch
Von Brauchitsch und Rosemeyer?
Fest hinter Glas zeither!
Bei den großen Preisen
Für Burger und Steaks
In einem Turm mit sagenhaften vier
Aussichten! Hier zwangsweise
Erheben sie sich über den Verkehr)
Johannisberger Straße
JOHANNISBERGER STRAßE
Die Vögelein erwecken
Der Morgensonne Schein
Auf Lauben hinter Hecken
Wo Rose rankt und Wein
Aus brennenden Eingeweiden
Nachts aber wie Würgschlangen
Wie Totenkopfgeier nachts
Die giftige Schießfedern
Auch dir der drei Straßen weiter
Sorglos im Schlaf beinah
Dir auch – doch andere sind
Die in Aufruhr und Angst
Hier standhalten
Die du erkennst
Mittags manchmal
Am traumwunden Gang
Am erkämpften Gesicht
Am langsamen Lächeln
Mit dem sie Teller und Glas
Abwesend vor dich hinstellen
Mainzer Straße
MAINZER STRASSE
Auch hier viel Kiez-Plaisir: Zwar die älteren
Scharteken blass und aristokratisch wie
Mit Mehl gepudert – aber süß die
Schulschwänzerinnen Marie-Curies! Und
Die Montessori-Krepelchen! Richtige
Süßettchen appetitlich wie Helios`
Orange! Gelb vom Himmel presst die
Feurigen Saft auf die Welt – den reinsten
Naturlikör! Ein Gelb wie ein Gelb vom Ei
Das mit zerlöster Butter vermengt das Laub
Der Linden die am Bordstein blühn mit
Goldenem Glanz überzieht – gezuckert
Gar Flügelsüßes mir wenn der Wind mal rasch
Das Zweigwerk durchrührt fast in den Mund als wärs
Noch einmal Honigkuchenmanna
(Was mir für kurz eine retrograde – )
Serviert wobei die schwankenden Schatten die
Das Pflaster sacht wie Teigrechen streichen – doch
Es langt! Patrice! Patrice! Sie Penner!
Denken Sie dran dass ich noch Dessert krieg?!
Das tägliche Brot in der Arminiusmarkthalle
DAS TÄGLICHE BROT
IN DER ARMINIUSMARKTHALLE
Sieh dir das an! Ein Hochgott so wie der einst
Die Reiche der Welt lustvoll ins Auge fasste
Auf dass er von überallher sich die Schönsten –
Genauso du hier wählst du dir eine scharfe
Pho Bo und dazu wählst du dir als Kontrast
Köfte mit Thai-Curry und noch Kaiserschmarren
Dann wählst du den Rosenkranz wählst
Hare Krishna und Tartil al Coran
Wählst tipptipptipp wie es dir einfällt
Gebetomatensegenssingsang
Über dein Potpourri – doch Schlacken
Im Mittagschlaf rasch sind sie abgeführt
Zum Dickdarm die hypersubtilen Extrakte
Dagegen die wandern homogen destilliert dir
Mitten ins Herz über das Blut ein
Aufwachst du und kurz geläutert
Vom Besten so vieler gut verdaulicher
Gewächse der Weltbreite
Denkst so halb dass ihr Grund auch sicher
Also der muss wohl doch –
Gutbürgerlich im Bürgeramt
GUTBÜRGERLICH IM BÜRGERAMT
Beinah schon Haute Cuisine
So über den Dächern mit reichlich
Ausblicken nach Brandenburg und dahinter
Auch noch nach Bayern! Denn in der Tat
Die Enten sie haben es leicht
Sie kommen von Jämlitz in vollen
Vierteln durchs Fenster geflattert
Und Chiemgauer Kotelettkalbinnen
Die durften sogar weil tief katholischer
Provenienz früher im Paternoster auffahren!
Nur eben dort unten der blattsalatgrüne
Mittelstreifen der Yorckstraße
Der muss stets auf Birkenstock warten
Oder ein Tragetuch aus Natur
So hat er es von der Parkraumklasse
Hier erst zum Raumteiler geschafft –
Und trotzdem spielte die Currywurst
Wochenlang die Beleidigte
Bis ihr der Oberkoch brav
Mit Ketchup Blutsbrüderglück schwor –
(Irgendwie nicht ganz o.k. so ein Brateid
Doch riecht sie saugut und da darf ich
Jetzt mal ein Auge zudrücken)
Your Antstore
Für Marion Minde
YOUR ANTSTORE
Sieh da: Blattschneiderameisengefilde!
Die spannen sofort mit ihren Antennen
Wenn hier einer nichts mitnehmen will –
Und anfangen sie dann mit Show-Arenen
In deinen Augen – doch bald schon heb nur
Den Arm jetzt siehst du: Sein Fleisch in flottem
Triumph tragen sie es zerkleinert durch
Glasklar genagte Knochen! Trotzdem
Sei großmütig wenn du siehst: Sie neigen
Zur Selbstüberschätzung und schlussfolgern
Aus einem rötlichen Anschein eigentlich
Seien sie Eichhörnchen du aber bloß
Ihr Baum – sie reichen so weit nicht zurück
Zu wissen wer ihn gepflanzt hat
Und wenn sie fraßsatt die Fühler zwirbeln
Wird dir kein Dank deiner Schöpfertat
Du wirst ihnen verzeihen – auch dir ja
Entfiel sie im Augenblick
Babylonischer Pinsel
BABYLONISCHER PINSEL
Sieh die drei Damen – branded
Schrill an den Füßen die Leisertreter
Aber die schicken Kartons
Heut die von Gucci und Nike und Angkor
Die stapeln sie gleich auf die andern
Zu diesem markanten Getürm das zum Himmel
Polyglott schreit was das Glück ist
Zweckhaft Innenausbau aber
Das ist ihrer Männer Sache
Also ein Vereinslokal
Wo sie dann in Männerchören
Glatt mit Bierschaum sich rasieren
Jetzt kommt uralt – ach ja die Frau
Leiser inkognito und erzählt klein Clärchen
Dies sei ein verzauberter Baum
Denn reine Herzen die sähen
Das Rot eines Märchenapfels
Doch Claras große Augen schauen
Ihr nur gebannt auf die Zähne
Fehlerstraße
FEHLERSTRAßE
Brigitte Krause 1927 – 2007
Die Liebe höret nimmer auf
Chrissi 1992 – 1994
Ilse Winkelmann 1905 – 1995
Sebastian 1980 – 1985
Warst unser Sonnenschein
Auch heut wieder ratlos
Durch die hohe Umfassungsmauer
Die Efeu und wilder Wein überwinden
Trittst du hinaus auf die Straße
Und hältst inne vor Nr. 8
Vorgarten mit Bronzetorso –
Kein Kopf kein Bein
Kein Arm für ein Schwert
Nur die Phantomschmerzen
Bis in den tiefen Schoß
Und diese beiden Brüste
Die wie zwei überreiche
Ganz gleiche Waagschalen
Jetzt in der Sonne aufglänzen
Südwestkorso
SÜDWESTKORSO
O Herrgott dessen Gnade so groß war
Dieses Bouquet zu segnen – ja Salzmann
Floristik von wo täglich Duftrosen
Handlich entdornt zu zwölft hinauswandeln
Mit Engelslächeln zu so Geldärschen
Hinter Fassadenprunk aus Stuckorgien
Vorm Eingang Sugargruftis Balzschlitten
Und freitags auch die edle Calla hintänzelnd
Zu Vernissagen kniet sie an Konzepthotspots
Vor hochgestapelt hippen VIP-Lichtern
Und Lilienunschuld lieblich ausschwärmt sie
Zu Beautyshots wo sie im Zoomsog des
Blitzlichtbespringers lustvoll hinsinkend –
Gib Herr aus meinem Sozialgrab
Dass ich mit krummdolchscharfen Fußnägeln
Als Dornenhecke will ich solchen Topmackern
Tritt! hinterrücks ihr Glück mit Blut tränken
Einhundert Jahre lang – und dann mag mich
Ein vielbegehrter Gartenbaubursche
Mit seiner Luckykippe abfackeln
Größer als deine Gnade o mein Gott du
Et in Alt-Marzahn ego
ET IN ALT-MARZAHN EGO
Die alte Dorfschule! Jahrzehnte weglos
Hinter den Plattenhochbauten versteckt!
Und ich klar ich zwinkre ihr zu
Da fuchtelt sie mit der Schiefertafel
Mausängstlich hingekritzelte Buchstaben
Die fürchten sich vor dem Wort
Wie hübsch auch das Dorfkirchlein!
Das lässt einen Spatzensopran entgleisen
Sonntags im Zeichenspuk
Und jetzt tatsächlich ein Fuhrwerk!
Noch leer aber so richtig mit Pferdchen!
Hui! Hufeisenblitze – zurück
Dreht sich der Kopf
Und plötzlich übermannshoch
Dieser Basaltblock mit Namen und Kreuz:
Den dort hinauf müsst ich
Das wärs damit endlich
Der Schatten abhaut –
Vom Funkturm aus
VOM FUNKTURM AUS
unten ein Zwielicht das hat
Indianergeheul als Stimme
Wenn alteingesessener Plüschkram
Aufflammend Salonfenster splittert
Das hat als Herzfinger Wachs-
Stümpfe die steifkopfig
Stöpseln sie tröpfelnde Korbflaschen
Und hat als Aug ein Geschoss
Für die Lesart des Lendenschurzes –
Oh komm herauf Morgenrot du!
Das hat als Ferse das Bleichgesicht
Von unerbittlichen Uhren
Und hat als Gliederkrampf halbwilden
Iwan ob er aus Osten Sturmtrupp
Drei Treppen herauf Bajonett blank
Die Bettdecke spaltet
Lachhaft ich weiß aber etwas wie rauen
Kloß auch spür ich im Hals hier im Hellen
Wo wir so gut gepolstert mit Ehefrauen
Wieder das Fünfgang-Convenience – ach ja du
Märchenbrunnendämmerung
MÄRCHENBRUNNENDÄMMERUNG
Ein einzelner Knabe
Mit flinken rehbraunen Augen
Bückt sich nach Kieselsteinen
Um sie nach einer Taube zu werfen –
Zu Recht sag ich mir denn sie sitzt
Auf der Schulter von Rotkäppchen
Alles im Blick lass ich mich
Nahbei im Schatten nieder
Was mir auch sonst gut tut
Weil aus dem Outlet die Lloyd
Links vorn am Zeh – naja
Jetzt fliegt die Taube auf
Aber viel nützt es nicht
Denn nachts wird der Park geschlossen
Da kann sie weitermachen
Märchenbrunnenmorgen
MÄRCHENBRUNNENMORGEN
Hübsch weiß in der Baumkrone dort
Das Täubchen das aber vielleicht auch ein streunendes
Kätzchen ist oder die Morgensonne –
Dagegen ein Frosch in der Hand der ist immer
Verlässlich drum Guter Freund
Sag ich unlängst ist mir doch diese runde –
Du wirst dich erinnern –
Und würdest du freundlicherweise – ?
Da springt er wutsch! schon hinunter
Und bringt bald mit breitmaulschroffem
Einmal du kindisches Greislein
Ists schließlich vorbei mit dem Märchengold!
Einfach nur einen Stein mir herauf –
Schwatz du nur denk ich da mühsam
Lächelnd du kurzhalsiger oller
Wasserpatscher und biet den Klump unbemerkt
Dem Knaben am Beckenrand an
Zum Tausch gegen sein Ferkel
Comeniusholz
COMENIUSHOLZ
Das Seelenparadies
Eine Laube aus Holz –
Hat also der Herr
Da in mir doch Leben ist
Den urverderblichen
Anderen abgeholzt?
Die Augen schließen
Flüstert das Teichgrün endlich
Kühl in der Mundart des Molchs
Der den Grund kennt –
Augentag im Comenius-Garten
AUGENTAG IM COMENIUS-GARTEN
Walnussbaumfruchtwasserrauschen
Dann Wiesenteppich der Kinderspiele
Irrgarten Ichgefühl
Arzneigärtlein Nachbarhaus
Und schließlich das Seelenparadies
Laube wo wunderbar frei die Sicht ist
Das Holz tot
Rheingaustraße
Für Jörg Machel
RHEINGAUSTRAßE
Pizza und Pasta aber der Wirt
Kosovo hör ich und höre
Massaker-Kosovo Folter-
Kosovo Kosovo-Flucht
Sonnenstrahlspiel auf den Bildern
Und tatsächlich die Welt diese ganze besser wohl
Wäre auch sie nur zweidimensional – leidloser
Konturenzauber aus nichts als Licht
Doch da ist sie
Die Frau die ihr Mann
Herausgeholt hat mit eigenen Händen damals
Aus Volksbrand und Tod
Tritt ein durch die große
Leerstelle im Licht
Laubacher Straße
LAUBACHER STRAßE
Mitternacht komm Freund denn Jungfrau
Maria das sternhelle Himmelsgewand
Zerrissen und Turmfensterdunkel aus dem
Hybridische Grüßengel die blasen
Tornado dass die Ruppinschülerträume gelockert
Die grünen Nähte mit Bäckerin Czerr
Die unverkauft reifen Wecken
Haltlos ein Wirbel in deinen Schoß
Und die dich mitziehen sieh für Stunden
Thailändische Prachtfalterschwärme
Zum Golf wo die Sehnsucht zu Lotusufern
Wird sie und epiphytischer Überschwemmung
Noch Ritzingers Autowracks dieser Jubel
Des Blitzeinschlags Regenerationsgezüngel
Aus Lacklöchern nach dir und Rostschrunden
Ein Lecken nach frischer Ölung bis früh
Der Turmhahn Lustschrei zu Sturmglocken
Wenn er herabfahrend den Glanz
Stößt er den Sporn dass goldener
Schmerz konvulsivisch in Spasmen
Schneewolkengüsse Kastanienblüten gebreitet
Zum Bahrtuch und du auf dem Bauch wie die büßende
Altschlange hinstirbst du zwischen den Zähnen ein
Staubkorn des Paradieses
Präpariertes Tier
Passer deliciae meae puellae
PRÄPARIERTES TIER
Guck nicht so tot! Sie soll lächeln!
Weißt du nicht mehr? Die Kanaris?
Viel melodiöser als deine Sprechzwitscher!
Mit brennender Brust aber dazwischen
Die Fastenpredigt der Schwarzkappe!
Du trotzdem ihr Entzücken – wärst jetzt
Nur Holzwolle? Tot? Nicht toter heute
Als damals der Balg ohne Herzblut
Faulschlaf von Fleisch ohne Flamme –
Ihr Auge jedoch! Ihr Rufen! Zugewandt
Glaubst du denn nicht bis dein Lied dein Flug
Bis dass sie Leuchtechos werfen und feurige
Nachschatten auf alle die täglichen
Dompfäfflein über den Wiesen?
Die doch nur da sind sofern ihr Anblick
Teilhat an deiner Vollendung? Gewaltig
Wie eine Vorzeitwerkstatt ist
Deiner Geliebten Gedächtnis
Und reicht zurück bis zum Anfang –
Der reinen Sehnsuchtsgestalt eines Gesangs
Aus Asche und Brand
Tieranatomisches Amphitheater
TIERANATOMISCHES AMPHITHEATER
Dieser Kadaver
Wenn er auf seinem Seziertisch
Hochfährt in die Arena
Vor tausend Adeptenaugen
Und dieser Professor
Wenn er mir aus dem Mittelhirn
Schneidet er sich den puppenrunden
Zapfen und hoch im Triumph
Glandula pinealis! Die Zirbel!
Pinealozyten und Gliazellen!
Dieses Licht
Wenn es hereinfällt
Von einer Sonne aus Brennglas
Durch eine Flachkuppel aus Holz
Auf eine verdorrte Ähre
Und deine Augen
Wenn du sie schließt mein Herz
Und fühlst wieder die beiden Flügel
Unseres Pfauenauges ihr Zittern
Und seinen kleinen Tod
Reh am Märchenbrunnen
REH AM MÄRCHENBRUNNEN
Ich habe dem Wolf nicht den Bauch aufgeschlitzt
Ich hab die Geschwister nicht übergesetzt
Ich war das Reh
Dessen Anblick den König auf seiner Jagd
Zur Schwester geführt hat
Sie sind ein glückliches Paar
Er errichtet ihr jedes Jahr
Zum Hochzeitstage ein prächtiges Schloss
Und mir reicht er mit seinen schönen Händen die extragroße
Ration zartes Grün
Das tut mir gut
Weil dann immer die sprachlose
Wunde zu bluten beginnt
Neue Alte Liebe
NEUE ALTE LIEBE
Taufe im Jahr der Titanic
Ausmusterung Kaffeeklatsch –
Mit allen Tischen starrt
Am Gnadenfristufer die Alte
Liebe aufs Wasser
Wo nur ein jungflotter Segler so hin und her
Und dieser Schwan der von ihr –
Botschaften? Eine Affäre??
Federglanz Silberschlingen
Werbung und sie gelingt
Schließlich mit einem zerknüllten
Bild aus der Tiefe
Denn Abend als er ach Schwester brandrot
Die Sonne versenkt – sieh da Entfaltung und großes
Seefahrersegel aufbauschend übervoll
Umschlägt es und ein Stoß
Südwind vom tropischen Rücken
Der Welt heiß flappts ihn herüber dass hui
Waschechte Phönixflügel
Himmelwärts von gebrechlichen
Drei Dutzend Kaffeekahntischen!
Landauer Straße
LANDAUER STRAβE
Die vornehmen Fassaden
In weitem Abstand einander
Kalt gegenüber
Und auf den Rasenterrassen
Zahlreiche Therapeuten
Die ihre Dienste anbieten
Aber die Alte in ihrem Rollstuhl
Die jetzt Volksreden trompetend
Von Hertz Schöner Trinken her einbiegt
Schlagseitig rudert sie daran vorbei
Um Arme schwenkend am billigen Ende
Den Änderungsschneider herauszutröten
Ein freundlicher Mensch
Der die gefährdete Peace-Flagge
Am Heck sicher fixiert
Kommentar
Adam-Kuckhoff-Platz
ADAM-KUCKHOFF-PLATZ
Diese asiatische Mammi schlau schlau setzt sie ihr Schlitzaugenkerlchen
Rittlings sich auf die Schultern damit Klein China
Um Gotteswillen dass es zu früh nicht checkt
Die Osterglöcklein hier unten und Pfingsthyazinthen –
Gemeine Heulzwiebelgewächse!
Was Feinbäckerei Czerr klar doch längst weiß und darum
Mit Beauty 4 Times Anti-Aging
Auch diesmal wieder ihr Kiezwerbepakt
Durch Glutamatüberdosen den Rotdorn sein grelles
Puffmutterrouge ausschwitzen machen
Und Birkenaltsingels ein Puderzucker-Make up
In Geilgrün verpassen das ihre massigen
Mistelgeschwulste zudeckt – ach wenn
Der Orthopädie-Schaub gäb er mir Siebenmeilengehhilfen bis Ozeanien!
Doch so zu den Putten hier will ich mich hinsetzen
Die haben mit ihren Plantschhöschen nun auch
Die neckischen Kurzflatterli abgelegt
Ihr Springbrunnenwasser da sein Gerausche
Das Ohr nur betäubt das kippten sie weg
Einzig der einen Weltwahrheit zu lauschen
Aus den drei Mündern des Glascontainers
Die Augen fest zu bleib ich hier – und trotzdem noch immer
Lau durch die Lider sowas wie halbgoldner Schein
Aus diesem ewig blassblauen Himmel
Kommentar
Info Johannisthal
INFO JOHANNISTHAL
Ein Pünktchen? Das wissen wir nicht.
Sie sehn unsre Augen? Das Blau? Wir
Die Verwandtschaft und ich von jenseits
Der Grenze sind wir. Doch hier sind die
Sandtrockenrasen und hier haben wir
Den Pflegeauftrag: Offenhaltung der Fläche
Für licht- und wärmeliebende Pflanzen
Gemeine Grasnelken z.B. und Strohblumen –
Ein Kurzhaltekonzept gegen Verschattung.
(Dort die Asphaltreste? – Naja
Mit ausgeklügelten Konstruktionen von hier
Abheben – langhin hats nicht überzeugt.)
Doch singend? Natürlich hören wir
Ebenfalls was – aber ist da ein Text?
Und noch dabei aufsteigend? Unser Kopf dreht
Horizontal – immerhin Feldlerche vielleicht.
Nur oben was will sie denn dort wenn hier
Unten das Feld ist? Die also am Himmel das
Pünktchen?! Ein Punkt – so viel wissen wir noch –
Eigentlich gibt es den gar nicht. Mag sein dass
Dies dann ihr Ziel ist – wir grasen weiter.
Kommentar
Tempelhofer Tempo
TEMPELHOFER TEMPO
Plötzlich der Blick weit freies Feld
Nichts als Fläche
Rund unter reinem Halbrund
Und hui! bin ich Radfahrer Skater
Kite-Surfer im Dämmer zuletzt steil gegen
Den Wind steigender Lenkdrachen und unten
Auf einmal alles nur oberflächlich
Kaschierte Kalotte ein Rand noch Streulicht
Wie Lockenreste – ja dort die Stirnseite
Wie wenn man einschliefe
Meerstill dort müsste man liegen
Die ganze Zeit
Ausatmend bis Leere
Und Leere –
(Da kommt schon die Finsternis
Wieder mit diesen Fingern
Die nichts begreifen)
Kommentar
Dahlemer Reethütte
DAHLEMER REETHÜTTE
Ein Buschmann da schau zwischen zwei Frauen
Der ihren Schwarzglanzbrüsten
Wow! seinen beinharten Stolz herzeigt
Kindergelächter lautstark
Übertönt von Tropenholzartefakt
Frostresistenz Ritualgenital
Von intuitionsindigener Signifikanz
Wegweiser zu seinem Museum ganz nah
Vollmond und Fleisch in wilden
Fruchtbarkeitsrundtänzen
Heiß reibt sichs bis oben das Deckschilf
Erneut rot in Flammen das wär
Vermutlich zu viel
Doch dann aus gedämpften Augen
Ein Blitz schien mir zwischen die künstlichen
Halbkugelbrüste schien mitten hinein –
Kommentar
Georg-Kolbe-Kontakthof
GEORG-KOLBE-KONTAKTHOF
Der rechte vielleicht? Wohlproportioniert
Mit echt goldnem Schritt! Doch hat er die Arme
Erst einmal rechtwinklig ausgebreitet dann wird
Ein Stahlpaket dich erwarten –
Oder der dort die Hand hebt? Die Strahlen
Des ganzen Tierkreises in sich leitend
Ganz Hingabe? Gespreizt unter dir wird er sich als Qualle
Aus Sterntemperaturen erweisen –
Zuletzt wär da noch die Kleine am Brunnen
Tänzerin eigentlich (sagt sie) stellt sich
Pirouettierend auf eine Fußspitze und
Neigt ihre Schläfe ins Licht –
Lisalein sag ich (denn wie sie so sprach
Bezauberte mich ein Charme aus Sachsen)
Küss mich mit Luthers Mund!
Kommentar
Einkehr im Bieberbau
EINKEHR IM BIEBERBAU
Fit bleiben beim Affen? Dein Fleisch
Kreischend ihm wegreißen?
Flirten mit Griechengöttern
Die deinen Gaumen füttern
Mit gastrosophischen Diatriben?
Wiederkäuend bengalisches
Schweigen per Kuh einüben?
Denn Säule geheim und Zypresse
Die streiten schon um den Vorzug
Auf deinem Grab
Und ob dich nun jeder Schluck
Sterblicher werden lässt –
Da! Der Hahn kräht aufklärerisch
Dreimal dass das alles bloß Stuck ist!
Jetzt stürzt du zur Tür stößt
Gegen den Hausherrn der – tröstliche
Morgenröte führt er zum Mund
Malaisen der laxen Natur moralisch
Aufhelfen durch das Wunder!
Kommentar
Kapitales Kino
KAPITALES KINO
Rot rankender Wein
Aus unsichtbarer Wurzel herauf
Durchkreuzt er gerade Fassaden –
Warnung vorm falschen Silber
Des angrenzenden Intellekts
Und Werbung für Geisterreigen
Aus blauem Plüsch in der Beletage
Ziehkinder des Olymp
Schon ziehn sie mich hinter sich her
Und bringen mit ihren Plastikflaschen
Den länger schon dehydrierten Treppenaufgang
Sprudelnd in Schwung
In dunkelndem Raum
Gewoben aus warmem Gold
Rauscht vorn der Vorhang
Auf und ich fühle mich schwach
Genug für ein falsches Leben
Im nicht ganz richtigen
Kommentar
Intro
INTRO
Zur Abfahrt
Der Untergrundbahn
Gehts ein paar Stufen hinab
Bei Kunstlicht
Das andre
Scheint dann umso klarer
Kommentar